Bezirksamt Lichtenberg weiht Eugeniu-Botnari-Platz ein – jahrelange Kämpfe der Zivilgesellschaft zahlen sich endlich aus

Pressemitteilung vom 12.5.2025

Die Gedenkinitiative „Aktives Gedenken in Lichtenberg“ freut sich, dass am 19. Mai. 2025, nach jahrelangen Kämpfen, der Eugeniu-Botnari-Platz endlich offiziell eingeweiht wird. Dem voraus gingen viele Diskussionen mit dem Bezirksamt und der BVV, um diese Umbenennung zu erreichen.

Eugeniu Botnari kam im Jahre 2015 aus Moldawien nach Berlin, um sich hier ein besseres Leben aufzubauen. Am 17. September 2016 wurde er vom damaligen Filialleiter des Edeka-Marktes im Bahnhof Lichtenberg des Diebstahls bezichtigt und daraufhin im hinteren Teil des Ladens von ihm mit Quarzsandhandschuhen zusammengeschlagen. Da Eugeniu Botnari zum damaligen Zeitpunkt nicht krankenversichert war, schlug er auch auf mehrmaligen Rat von Angehörigen und Freund*innen eine ärztliche Behandlung zunächst aus. Als er sich in den nächsten Tagen dann doch an die Rettungsstelle des Sana-Klinikums wandte, wurde er von dort aufgrund seiner schwerwiegenden Verletzungen sofort an das Unfallkrankenhaus Berlin überwiesen, wo am 20. September 2016 schließlich seinen Verletzungen erlag.

Dieser Fall ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie tödlich rassistische und sozialchauvinistische Abwertungen und Ausschlüsse sein können. Aus diesem Grund erinnert seit 2019 regelmäßig eine Gedenkinitiative an ihn und kämpft dafür, seinem Gedenken einen Platz im öffentlichen Raum zu schaffen. Eine Forderung dieser Gedenkinitiative ist dabei die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes nach Eugeniu Botnari. Diese Forderung wurde 2020 erstmals öffentlich vorgetragen und 2021 von mehreren Parteien aufgegriffen und in Aussicht gestellt.

Dass es nun dennoch noch fast 4 weitere Jahre gedauert hat, bis die Umbenennung endlich vollzogen und eine Gedenktafel im Gedenken an Eugeniu Botnari aufgestellt wurde, ist ein Zeichen dafür, wie wenig sozialchauvinistische Gewalt in Lichtenberg und in unserer Gesellschaft generell benannt und diskutiert wird. Konnte zum Beginn des Ukrainekriegs ein Platz in Karlshorst innerhalb weniger Monate in „Odessaplatz“ umbenannt werden, wurde die Gedenkinitiative mit ihrem Anliegen immer wieder zwischen verschiedenen Kommissionen und Ämtern hin- und hergeschickt, wo die Umbenennung angeblich gerade diskutiert werden würde.

„Wir sind sehr erfreut darüber, dass die Umbenennung des Platzes nun endlich vollzogen wird und Eugeniu Botnaris Andenken mit einer Steele bereits im Stadtbild verankert wurde. Wir hoffen, dass dieses Andenken den Verantwortlichen im Bezirk auch in Zukunft präsent ist und den Umgang mit Obdach- und Wohnungslosigkeit in unserem Kiez beeinflusst.“

meint dazu Berit von der Gedenkinitiative.

Während der Diskussionen um die Umbenennung des Platzes meldeten sich immer wieder Politiker*innen der FDP und AfD sowie andere Einwohner*innen aus Lichtenberg mit entwürdigenden Beiträgen im Tenor von „Warum sollten wir den Platz nach Eugeniu Botnari benennen? Das war doch nur irgendein Obdachloser?“ bis hin zu „Eugeniu Botnari war ein Ladendieb und hat bekommen was er verdient hat“. Auch wenn von einer neoliberalen und rassistischen Partei nichts anderes zu erwarten war, waren wir doch erschrocken darüber, wie wenig Achtung manche Politiker*innen und Lichtenberger Bürger*innen vor dem menschlichen Leben haben. Berit dazu:

„Sozialchauvinistische Abwertung ist tief in unserer neoliberalen und kapitalistischen Gesellschaft verankert! Während die Gehälter von Managern und Aufsichtsräten immer weiter steigen und die Reichen immer reicher werden, wird sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Sucht und Wohnungsnot mit Verdrängung und Gewalt begegnet. Dies ist menschenverachtend und nimmt den Tod betroffener Menschen wissentlich in Kauf.“

Ergänzende Gedanken zum Interview in der jungleworld vom 11.02.2021

Interview: https://jungle.world/artikel/2021/06/die-situation-war-erdrueckend

Leider war der Umfang für das Interview recht klein gesteckt und so haben es einige Punkte, die uns wichtig waren, nicht in den Artikel geschafft. Wir versuchen an dieser Stelle diesen Gedanken Raum zu geben.
Zudem wollen wir betonen, dass das fehlende Gendern auf die Vorgaben der jungleworld zurückzuführen ist und so nicht von uns formuliert wurde.

Strategie & Inkompetenz hinter der Räumung

Es ist unserer Meinung in der Gentrifizierung der Rummelsburger Bucht durchaus ein Muster zu erkennen. Es wird systematisch versucht Besetzer:innen loszuwerden und der Bezirk ist bemüht, die damit verbundenen Imageschäden zu umgehen, indem er seinen Anteil an den Maßnahmen verschweigt oder beschönigt. Das konnte schon bei der kalten Räumung des SabotGarden vor einiger Zeit beobachtet werden. Damals wurden die Bewohner:innen von Securities so lange schikaniert, bis diese letztendlich von allein gingen. Es wurde mit Scheinwerfern 24/7 auf die Zelte geleuchtet, sie wurden eingezäunt, Secus machten Einlasskontrollen, wiesen Menschen grundlos ab oder patrolierten mitten in der Nacht quer durch die Zelte. Alles in Auftrag gegeben durch den Bezirk, wie sich später herausstellte.

So wurde der katastrophale Zustand des Camps, welcher durch die Verantwortlichen mehrmals hervorgehoben wurde, lange Zeit bewusst in Kauf genommen. Es wurden frühere Hilfsangebote, nach und nach mit der Begründung gestrichen, dass die Bucht für wohnunglose Menschen nicht zu attraktiv werden solle. Uns wurde von abgebauten Sanitäranlagen und abgezogener Kältehilfe erzählt. Es wurde versucht, es den Bewohner:innen stetig ungemütlicher zu machen.

Hinzu kommt, wie miserabel die Zwangsräumung durchgeführt wurde. Selbst wenn mensch dem Bezirk die guten Absichten glauben wollte, entschuldigt das nicht, dass das Camp, in dem eine große Zahl von Menschen kein oder wenig deutsch spricht, ohne Dolmetscher:innen betreten wurde. Wie sollten die Leute eigentlich auf euer ‚tolles‘ Angebot reagieren, wenn sie gar nicht wussten, was ihr außer einem Rausschmiss vorhabt? Ist es verwunderlich, dass kaum jemensch in die Busse vor der Tür stieg, wenn überhaupt nicht klar war, wohin diese überhaupt fuhren?

Starke Resonanz und Beteiligung

Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass viele Stimmen die öffentlichen Statements zur Räumung kritisch hinterfragt haben und auf viel Resonanz gestoßen sind. Mehrere hundert Menschen haben es sich über den Tag hinweg trotz des eisigen Wetters nicht nehmen lassen, ihrer Solidarität mit den Betroffenen auf unterschiedliche Weise Ausdruck zu verleihen. Außerdem reißt die Solidarität nicht ab: am Mittwoch demonstrierten hunderte Menschen mit den Betroffenen vor dem roten Rathaus, am Freitag fährt die Berliner Obdachlosenhilfe zur Essensausgabe an die Bucht. Danke an die Organisator:innen sowie die anwesenden Pressevertreter:innen, die nach wie vor das Ausmaß dieser Sauerei dokumentieren und kritisch begleiten. Vielen Dank auch an die mutigen Menschen, die kurzerhand einen Bagger besetzten, um die Zerstörung des Camps zu verhindern. Falls ihr im Zusammenhang mit diesen Aktionen mit Repression konfrontiert werdet, zögert nicht euch bei uns zu melden!

Vorwürfe der Instrumentalisierung

Wie bereits im Interview erwähnt, halten wir solche Vorwürfe grundsätzlich für eine bewusste Diskursverschiebung, um Kritik an der Räumung zu ersticken. Dadurch soll erreicht werden, dass allen Demonstrierenden die Betroffenheit durch die Räumung abgesprochen wird. Ehemalige Bewoher:innen, welche ebenfalls bei den Protesten zu Wort kommen, werden so unsichtbar gemacht. Dabei ist offensichtlich, dass insbesondere Gruppen laut werden, die eng mit den Menschen aus dem Camp gelebt oder gar dort gewohnt haben. Vertreter:innen von trans*sexwork, die Selbstvertretung Wohnungsloser, Bewohner:innen des Wagenkollektivs Mollies, die DieselA und Rettungssanitäter:innen, welche auf dem Gelände aktiv waren, kritisieren allesamt diese Räumung. Außerdem wird den Bewohner:innen des Camps abgesprochen, selbst einen politischen Standpunkt zur Gentrifizierung ihrer Stadt zu haben und diesen auf diese Weise auszuleben.

Dem Bezirk wäre es wohl recht, wenn nur über die Betroffenen gesprochen wird, aber nicht mit ihnen. Dann so wäre es einfacher Kritik auf die versuchte Weise vom Tisch zu wischen. Vermutlich wurden aus diesem Grund auch der Kontakt von Journalist:innen mit den Menschen unterbunden, welche sich am Tag nach der Räumung in der Traglufthalle befunden haben. Das das dieses mal nicht funktionieren wird, davon sind wir überzeugt. Und, dass diese Tatsache die Verantwortlichen verängstigt, sehen wir auch schön an der Reaktion. Es werden falsche Aussagen getätigt, zurückgerudert, die Räumung geleugnet und die Verantwortlichkeit bei anderen gesucht. Denn es ist Wahljahr.